Wir (eine dreiköpfige Gruppe Studenten der Freien Kunstakademie Nürtingen
http://www.fkn-info.de/) hatten beschlossen am Freitag einen Fotoausflug nach Baden Baden zu machen.
Nach dem dieser relativ unspektakulär ablief beschlossen wir am Freitag Abend kurzfristig noch nach Strasbourg zu fahren und die Anti NATO Demonstration am Samstag noch mitzunehmen.
Nach den schon vorhersehbaren unzähligen Polizeikontrollen trafen wir als am Freitag Abend auf dem "Gegengipfel" dem sog. "Camp Vilage" ein. Die relativ gute Organisation und die ausgelassen fröhliche und friedliche Stimmung beindruckte uns, da doch schon am Donnerstag und am Freitag immer wieder Straßenkämpfe zwischen dem Schwarzen Block und der französischen Polizei stattgefunden hatten.
Wir tranken also erst einmal ein gemütliches Feierabendbier und machten uns daran die Fotos vom Freitag zu sichern.
Am nächsten morgen hieß es gegen 9 Uhr Aufstehen, wach werden, Verpflegung richten, Kaffee trinken und Frühstücken (hier noch mal ein Dank und ein Lob an die Camp Küche!).
Gegen 10 Uhr ging es dann mit den Demonstranten los in Richtung Straßbourg Hafenviertel/Europabrücke/Versammlungspatz. Da das Camp recht weit außerhalb lag, warteten etwa 7km Marsch ohne größere Ereignisse auf uns. Jedoch stieg die Spannung und ein etwas mulmiges Gefühl kam auf, als wir die ersten Barrikaden und eine völlig demolierte Kadettenakademie des französischen Militärs passierten. Vorsorglich wurden Oropax und Augentropfen ausgegeben.
Nach etwa ein bis ein einhalb Stunden Marsch stockte der Zug der Demonstranten das erste mal. Die Polizei versperrte den Weg auf die Rheininsel auf der sich die Versammlung und die Demonstration abspielen sollten, die erste Straßenschlacht war in vollem Gange. Wie wir später Erfuhren wurde dabei auch ein Fotograf, den wir schon am Tag davor in Baden Baden kennen gelernt hatten, von zwei CS-Granaten am Kopf getroffen. Da er keinen Helm getragen hatte und deshalb zwei ordentliche Platzwunden davontrug, zeigt wie unerwartet die ganze Situation war.
Da wir alle drei absolut
nicht erprobt waren was Großdemonstrationen und Krawalle anbelangt, hielten wir uns die ganze Zeit über relativ weit im Hintergrund auf.
Nachdem die letzten Abgeordneten die Insel per Konvoi auf einer anderen Brücke verlassen hatten lies die Polizei die Demonstranten passieren. Hier brannten auch schon die ersten Barrikaden.
Der Weg zu dem Kundgegebungsgelände wurde nicht weiter blockiert und der Großteil der Demonstranten bewegte sich auch dort hin. Allerdings spaltete sich schon dort eine recht große Gruppe ab und ging direkt zur Europabrücke. Als wir auf dem Kundgebungsgelände unsere Wasservorräte aufgefüllt hatten bewegten wir uns ebenfalls zur Europabrücke, hieß es doch, dass sich hier deutsche und französischen Demonstranten zu einer großen internationalen Demonstration zusammenschließen würden.
Doch dort angekommen wurde deutlich, dass die deutsche Polizei alle Brücken in der näheren Umgebung mit Einheiten, Wasserwerfern und Einsatzfahrzeugen gesperrt hatte. Die Autonomen waren darüber nicht allzu sehr erfreut uns entzündeten die nächste Barrikade auf der französischen Seite der Europabrücke.
Wenig später quoll dicker Rauch aus dem Zollhaus, aus welchem ehemals der Verkehr zwischen Deutschland und Frankreich kontrolliert wurde.
Wir gingen in der Annahme das jeden Augenblick die Polizei einschreiten würde von den Brückenauffahrt auf eine südlich gelegen Wiese auf der sich einige friedliche Demonstranten und Anwohner vermischten.
Das Zollgebäude brannte mittlerweile und ich war der festen Annahme, dass jeden Augenblick aus allen erdenklichen Winkeln Polizeieinheiten den Platz stürmen würden und der Feuerwehr ermöglichen den Brand zu löschen. Allerdings war dem nicht so und so bildete sich eine recht große Gruppe Schaulustiger auf der Brücke.
Immernoch in der Annahme, die Polizei würde gleich eingreifen blieb ich dem Geschehen weiterhin fern. Als dann auch aus dem Ibis Hotel eine dicke schwarze Rauchwolke schlug bewegte ich mich langsam in diese Richtung. Kaum hundert Meter vor dem Hotel angekommen und soeben einen schönen Bildausschnitt gefunden, stürmten Polizeieinheiten das Geschehen und ich sah nur noch CS-Gas Granaten auf mich zufliegen. Es blieb nur der Weg auf das Veranstaltunggelände. Dort traf ich mich mit den anderen wieder und wir machten neue Treffpunkte aus, für den Fall jemanden im Gedränge zu verlieren.
Etwa 10-15 Minuten später flog gleich eine ganze Ladung CS-Gas Granaten über die Mauer, die das Gelände zu der Straße, an der das Ibis Hotel steht, abschirmt. Eine leichter Anflug von Panik ging durch die Masse und der Sprecher auf der Bühne forderte alle auf, sich auf die entgegen gelegene Seite des Platzes zu Bewegen. Die Polizei feuerte weiter CS-Gas auf den Platz und man hörte, dass vor der Mauer ein Straßenkampf wüten musste. Als das CS-Gas, und damit auch die Panik der Massen die Überhand hatte, wurde aus dem sich langsam bewegenden Zug von Demonstranten eine sich immer schneller fortbewegende Flut aus Menschen.
Da die zwei einzigen Ausgänge des Platzes entweder durch den Straßenkampf zwischen Schwarzem Block und der Polizei oder durch massig CS-Gas versperrt waren ging es nur über einen Bahndamm ins vermeidlich Freie.
Also den Damm rauf und wieder runter und prompt standen wir hinter eine Vielzahl Polizei Einsatzfahrzeugen, die von allen Seiten mit Steinen, Stahlstangen und was noch so in greifbarer Nähe war, malträntiert wurden. Aber da diese Fahrzeuge doch recht viel aushalten, sind die Steine abgeprallt und in die friedlichen, jedoch flüchtenden Demonstranten geflogen und haben somit in den "eigenen Reihen" mehr Schaden angerichtet als auf der Seite der Polizei.
Nach dieser einprägsamen Flucht formierte sich der Demonstrationszug und ging seines Weges. Jedoch wurde von der Polizeig jegliche Möglichkeit in Richtung Innenstadt zu gelangen und nach schätzungsweise einer weiteren Stunde machten wir uns auf den Rückweg, da wir davon ausgingen, dass sich die Lage nicht beruhigen würde und eine Art Stellungskrieg zwischen Polizei und Autonomen entstehen könnte.
Schätzungweise zwei Stunden später waren wir wieder an meinem Auto angelangt, machten uns über das Essen der Camp Küche her, wuschen uns das Reizgas aus dem Gesicht und fuhren gen Heimat.
Es war ein absolut beeindruckendes Wochenende.